Warum erfolgreiche digitale Produkte eine gute Teststrategie brauchen
Digitale Produkte sind heute das Herz moderner Geschäftsmodelle. Apps, Plattformen und Services prägen das Kundenerlebnis, formen Markenbilder und entscheiden letztlich über wirtschaftlichen Erfolg. Doch mit wachsender Systemvielfalt, kürzeren Entwicklungszyklen und immer neuen Technologien steigt auch das Risiko: Ein Fehler, eine Lücke in der Performance oder ein Sicherheitsproblem kann in Sekunden Vertrauen zerstören – und Vertrauen ist in der digitalen Welt härtere Währung als je zuvor.
Wer an Qualität spart, spart selten wirklich. Die Kosten kommen später – in Form von Nacharbeiten, verspäteten Releases, Kundenabwanderung oder Imageschäden. Die bittere Erkenntnis, am falschen Ende gespart zu haben, kommt oft erst, wenn der Schaden längst angerichtet ist.
Herausforderungen digitaler Produkte
Moderne Softwarelandschaften sind hochgradig vernetzt. Microservices, APIs, Cloud-Integrationen und modulare Architekturen ermöglichen Flexibilität und Skalierbarkeit – doch sie erhöhen gleichzeitig die Komplexität und damit das Risiko unvorhergesehener Seiteneffekte. Schon eine kleine Änderung an einer Komponente kann weitreichende Auswirkungen auf andere Bereiche haben.
Gleichzeitig steigt der Druck, immer schneller zu liefern. Continuous Deployment, wöchentliche Feature Releases und steigende Nutzererwartungen machen Qualitätssicherung zu einer Daueraufgabe. Entwicklungsteams müssen Geschwindigkeit, Aufwand und Qualität in Balance halten – eine Aufgabe, die in einem hochdynamischen Umfeld ohne strategischen Rahmen kaum lösbar ist.
Während agile Teams auf Flexibilität und schnelle Iterationen setzen, verlangt der Markt gleichzeitig Stabilität, Sicherheit und Zuverlässigkeit. Genau hier entscheidet eine übergreifende Teststrategie darüber, ob Entwicklung und Qualitätssicherung im Gleichklang arbeiten – oder sich gegenseitig im Weg stehen.
Was eine Teststrategie ist – und was sie ausmacht
Eine Teststrategie ist das zentrale Rahmenwerk, das festlegt, wie Qualität sichergestellt wird – über alle Entwicklungsphasen, alle involvierten Rollen und implementierten Technologien hinweg. Sie beantwortet zentrale Fragen: Was wird getestet, wann, mit welchen Methoden, in welcher Tiefe und mit welchen Tools? Eine gute Teststrategie ist risikoorientiert, skalierbar, auf Automatisierung ausgelegt und sorgt für durchgängige Nachvollziehbarkeit. Vor allem aber ist sie fest in den Entwicklungsprozess eingebettet. Testen ist kein nachgelagerter Schritt, sondern ein integraler Bestandteil von Design, Umsetzung und Delivery.
Wie moderne Entwicklungszyklen funktionieren
Ob klassisch oder agil – jedes Modell folgt denselben Grundprinzipien: Planung, Umsetzung, Validierung und Bereitstellung. Unterschiede entstehen vor allem in der Taktung und in der Verteilung der Verantwortung.
- Klassische Entwicklung: Phasenorientiert mit klaren Übergaben – Analyse, Design, Implementierung, Test, Rollout. Qualitätssicherung erfolgt meist am Ende des Prozesses.
- Agile Entwicklung: Inkrementell, iterativ und teamübergreifend. Testen ist integraler Bestandteil jedes Sprints, Verantwortung für Qualität liegt im gesamten Team.
In beiden Ansätzen ist Testen essenziell – doch die Herangehensweise unterscheidet sich grundlegend.
In klassischen Modellen liegt die Qualitätssicherung meist am Ende eines längeren Entwicklungsprozesses. Umfangreiche Tests folgen auf entwicklungsversetzte Phasen. Definierte Übergaben strukturieren zwar den Ablauf, führen aber zu einer trägen Vorgehensweise. Durch die langen Entwicklungs- und Testzyklen sind die Feedbackschleifen lang, entdeckte Abweichungen wären spät adressiert und notwendige Änderungen kommen dadurch noch später.
Das agile Testen hingegen ist integrierter Bestandteil des Entwicklungsprozesses. Tests laufen kontinuierlich, in kürzeren Zyklen und vor allem auf einen geringeren Implementierungsumfang idealerweise parallel zur Entwicklung. Feedback wird dadurch direkt in die nächste Iteration übernommen. Qualität wird also hier nicht im Anschluss von einem tendenziell eher isoliert agierenden Team geprüft, sondern aktiv mitentwickelt. Dies erfolgt vor allem durch frühe Einbindung von Test und Entwicklung. Eine effiziente Automatisierungsstrategie ist früh geplanter Bestandteil und erfolgt in enger Zusammenarbeit zwischen Entwicklern, Testern und Product Ownern.
Wer in die Unterschiede einen detaillierteren Blick werfen möchte, findet in meinem Artikel „Agiles Testen vs. Klassisches Testen“ eine ausführliche Gegenüberstellung der jeweiligen Methoden, Vorteile und Einsatzszenarien.
Unabhängig vom Ansatz gilt: Testen ist keine Option, sondern Grundvoraussetzung. Und der entscheidende Erfolgsfaktor ist die Strategie, die sicherstellt, dass Geschwindigkeit und Qualität kein Widerspruch sind.
Warum eine übergeordnete Teststrategie unverzichtbar ist
In vielen Unternehmen existieren heute unterschiedliche Testansätze, doch sie sind häufig fest verteilt über kleinere Projektteams, geclustert nach Systemkomponenten oder Technologien. Was pragmatisch klingt, führt in der Realität oft dazu, dass Qualität mal redundant, mal unvollständig oder im Verbund schlimmstenfalls gar nicht getestet wird. Genau hier zeigt sich, warum eine übergeordnete Teststrategie nicht nur hilfreich, sondern unverzichtbar ist.
Sie ist das übergeordnete Regelwerk für Qualitätssicherung in einer komplexen Organisation, Leitplankengeber und Kompass für Projektteams. Eine solche Strategie sorgt dafür, dass Qualität nicht dem Zufall überlassen bleibt. Sie schafft einen verbindlichen Rahmen, in dem Risiken bewertet, Verantwortlichkeiten geklärt und Prioritäten abgestimmt werden. Erst diese gemeinsame Basis ermöglicht es, dass alle Beteiligten mit einem gemeinsamen Verständnis von Qualität und denselben Zielen im Blick in dieselbe Richtung arbeiten.
Egal ob in klassisch, agil oder hybrid arbeitenden Organisationen wirkt eine übergreifende Teststrategie wie ein verbindendes Gewebe. Sie regelt, wie Ergebnisse aus einem Entwicklungszyklus in einen vertrauenswürdigen Releasekandidaten zusammengetragen werden, ohne dass Nachvollziehbarkeit oder Qualitätsstandards verloren gehen. So verhindert sie, dass einzelne Teams in ihrem isolierten Verbund arbeiten, während das Gesamtprodukt unter uneinheitlichen Testpraktiken leidet.
Darüber hinaus ist eine zentrale Strategie die Grundlage für messbare und steuerbare Qualität. Sie legt fest, nach welchen Kriterien entschieden wird, ob ein Produktions-Release erfolgen kann, welche Risiken akzeptabel sind und wo getestet werden muss, bevor ein Feature live geht. So wird verhindert, dass Entscheidungen aus dem Bauch heraus getroffen werden – besonders in kritischen Phasen kurz vor einem Go-Live.
Vor allem aber bietet eine übergeordnete Teststrategie Stabilität in Momenten des Drucks. Wenn Zeit und Ressourcen knapp werden, schützt sie vor Aktionismus. Sie sorgt dafür, dass auch unter Stress klar bleibt, was wirklich getestet werden muss und was bewusst nicht. Eine gute und gelebte Strategie ersetzt hektische Reaktionen durch fundierte Entscheidungen und schafft Vertrauen, sowohl im Team, im Management als auch letztlich beim Kunden.
Kurz gesagt: Ohne eine übergeordnete Teststrategie gibt es keine nachhaltige Qualität. Sie ist der einzige Weg, um Tempo, Komplexität und Zuverlässigkeit dauerhaft in Einklang zu bringen. Wer auf sie verzichtet, riskiert nicht nur technische Fehler, sondern das Fundament seiner digitalen Glaubwürdigkeit.
Wenn schlechte Qualität zum Risiko wird
Die Geschichte der Softwareentwicklung zeigt immer wieder eindrucksvoll, wie Mängel in der Software zu schwerwiegenden, teils gesundheitlichen, tödlichen oder für Unternehmen katastrophal wirtschaftlichen Folgen führen können. Einige bekannte Fälle verdeutlichen, warum Softwarequalität immer einen hohen Stellenwert haben sollte.
- Windows Vista (2007):
Als Microsoft 2007 Windows Vista veröffentlichte, sollte das System Innovation und Fortschritt symbolisieren. Stattdessen stand es bald für Frust: Übersetzungsfehler, Performanceprobleme, instabile oder fehlende Treiber und Inkompatibilitäten verärgerten Millionen Nutzer. Die Ursache lag nicht nur in der Testabdeckung, sondern vor allem im falschen Fokus: Die reale Nutzungssituation, Hardwarevielfalt und Useranforderungen wurden unzureichend berücksichtigt. Quelle - Apple Maps (2012):
Ähnlich erging es Apple 2012 mit dem Start von Apple Maps. Fehlende Adressen, falsche Routen und verzerrte Darstellungen machten die App zum Spottobjekt – und den Konzernchef zu einer öffentlichen Entschuldigung. Statt als ernstzunehmender Konkurrent zu Google Maps durchzustarten, riefen amüsierte Anwender dazu auf, die skurrilsten und lustigsten Fehler zusammenzutragen. Quelle - Tesla Autopilot:
Noch gravierender sind die Folgen, wenn Software in sicherheitskritischen Bereichen versagt. Teslas Fahrerassistenzsystem “Autopilot” gilt als Pionier moderner KI-gestützter Fahrtechnologie – und gleichzeitig als Sinnbild für aktuell noch weitreichendes, fehlendes Vertrauen der Allgemeinheit in autonome Systeme, denn gerade Teslas System steht immer wieder in der Kritik, weil es Verkehrssituationen falsch interpretiert. In mehreren Fällen kam es zu Unfällen, die zeigen, dass fehlende Absicherung von Grenzszenarien fatale Konsequenzen haben kann. Quelle - COVID-19 Tracing-App (UK, 2020):
Auch die britische Corona-Warn-App gilt als Paradebeispiel, was passiert, wenn unter Zeitdruck Software entwickelt und überhastet freigegeben wird. Unzureichende Architektur-Tests und End-to-End Validierung unter realen Bedingungen führten zu massiven Funktionsproblemen vor allem bei iPhones, weil das Bluetooth-Scanning nur eingeschränkt oder gar nicht funktionierte, da iOS aus Datenschutz- und Energiegründen keine permanente Hintergrundkommunikation zuließ. Außerdem waren Schnittstellen zu Backend-Systemen, Gesundheitsbehörden und Testlaboren nicht stabil integriert. Quelle
Mangelnde Testabdeckung, fehlende Integrationstests oder unzureichendes Qualitätsbewusstsein führen nicht nur zu Fehlern – sie gefährden Sicherheit, Vertrauen und ganze Geschäftsmodelle. Ohne strategische Steuerung entstehen blinde Flecken, und aus kleinen Schwächen werden öffentliche Krisen. Eine klare Teststrategie, die Verantwortung, Risiko und Priorisierung zusammenführt, ist der einzige nachhaltige Weg, um Fehler so gut es geht zu vermeiden.
Qualität beginnt mit einer Strategie
Dabei sei angemerkt, dass die aufgeführten Beispiele nicht zwingend Folgen einer fehlenden oder schlechten Teststrategie sind und die beste Teststrategie trotzdem nicht verhindern kann, dass jede Software mit Fehlern im Livebetrieb zum Einsatz kommt. In der Software Entwicklung ist folgendes Verständnis wichtig: solange Menschen an etwas arbeiten, etwas erschaffen und entwickeln, wird eine wesentliche menschliche Komponente immer eine Garant dafür sein, dass auch eine Qualitätsstrategie erforderlich sein wird – die Eigenschaft Fehler zu machen Zum Glück hat der Mensch dafür eine weitere, wunderbare Eigenschaft, nämlich im Anschluss daraus zu lernen um Fehler zukünftig so gut es geht zu vermeiden.
Erfolgreiche digitale Produkte entstehen daher nicht zufällig. Sie basieren auf klaren Qualitätsprinzipien, die alle Beteiligten im Entstehungsprozess teilen. Eine gute Teststrategie schafft einen verlässlichen Fahrplan für den Entwicklungsprozess, verbindliche und nachvollziehbare Leitplanken für Projektteammitglieder und letzten Endes Vertrauen bei Verantwortlichen, das Produkt mit gutem Gefühl freigeben zu können und beim Kunden, der eine hochwertige Applikation in den Händen hält, die nicht enttäuscht. Als Partner unterstützt QCT Unternehmen dabei, bestehende Testprozesse zu evaluieren, zukunftsfähige Strategien zu entwickeln und Qualität als gemeinsamen Erfolgsfaktor zu verankern.

